Zack! Schon wieder Zeit vergangen. Eine ganze Menge sogar seit dem letzten Blogeintrag. Sei’s drum. Mich interessieren heute sowieso mehr die Momente, in denen man die Zeit still werden lässt, in denen alles langsamer wird und dabei deutlicher, intensiver.

Ein Ruhepol nach einigen turbulenten Tagen ist für mich der lichte Auewald am Rhein. Besonders jetzt, wo alles grüner ist als sonst. Üppiger. Wilder. Ich setze einen Fuß vor den anderen, fast schon zögerlich. Die Sonne steht tief im Westen, lässt das Blattwerk aufblinken. Ich schaue auf, staune, zeichne mit meinem Blick das eigenwillig verzweigte Geäst der alten Eichen nach. Dunkle Adern vor flirrendem Grün und sattblauem Himmel. Immer wieder anhalten. Wozu weitergehen, wo doch alles da ist, was ich jetzt brauche? In diesem Moment.

Unterdessen singen sich die Vögel in mein Herz. Ich lausche. Ich liebe. Ich liebe das Lauschen und ihren Gesang, ihr Rufen, Schlagen, Zirpen, Tirilieren, ihr Schattern, Kreischen und Schwatzen. Uns fehlen die Worte, ihre Töne zu beschreiben. Und es werden immer weniger. Weniger Vögel, so heißt es. Und weniger Worte. Ich schlage nach im Handbuchwörterbuch der Vogellaute. „Singt der Vogel, ruft er oder schlägt er?“ und staune über die Vielfalt der Worte, die es schon gab. Ihre Bedeutung bleibt mir teils verborgen. Ich bin keine Vogelkundlerin. Ich weiß die Arten nicht an ihrem Gesang zu erkennen. Aber ich lasse mich berühren von dem, was ich höre. Ehrfürchtig werden und dankbar – das geht im Auewald, an einem klaren Abend im Mai.

Da ist für mich ein Stück Heimat im draußen Sein. Ich bin hier geboren, nahe beim Fluss. Doch was kann Heimat noch und wie vielfältig zeigt oder verbirgt sie sich? Wir gehen dem auf die Spur im Workshop am 29.Juni 2019. Ich bin sicher, dass wir dabei wieder mit Freude schreiben.

(Abbildung aus "Singt der Vogel, ruft er oder schlägt er?" Verlag Matthes & Seitz, Berlin)

In meinen Seminaren geht es oft darum, vom freien, unzensierten Schreibfluss zu einer eingrenzenden Form des Schreibens zu finden. Erst öffnen wir im übertragenen Sinne die Schleusen und lassen alles raus. Danach verdichten wir die Fülle, picken das Wesentliche heraus und geben ihm eine Form. So haben wir beides: den freien Fluss, der uns unter Umständen emotional sehr fordert, und die stützende Form, die eine Konzentration und Bearbeitung ermöglicht.

Eine solche Form ist zum Beispiel das Rondell. Ein 8-zeiliges Gedicht, in dem sich einige Zeilen wiederholen. Zeile 1, Zeile 4 und Zeile 7 sind identisch, wiederholen sich also wortwörtlich. Zeile 2 bezieht sich auf Zeile 1 und wird in Zeile 8 wiederholt. Uffz! Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Das merkt man am ehesten beim Ausprobieren. Dabei stellt man auch schnell fest, dass das Rondell – wie der Name schon sagt – eine Kreisform hat und damit das Thema in sich abschließt.

Ich gebe hier ein Beispiel, das ich zu Beginn eines Urlaubs geschrieben habe. Ich war echt erholungsbedürftig und habe diese Auszeit sehr genossen.

Titel   Aus-Zeit

1  Fall aus der Zeit
2  in den Moment.
3  Lächle den Augenblick.
4  Fall aus der Zeit
5  offenen Herzens.
6  Dir zuliebe.
7  Fall aus der Zeit
8  in den Moment.

Man kann selbstverständlich auch pro Zeile ganze Sätze schreiben und mit Reimen arbeiten, wenn man das möchte. Es muss aber nicht sein. Viel Spaß beim Ausprobieren.